fotolyfthrasyrMein “Angriff” auf Black Metal hat mich zu einem Interview mit Aggreash, Leader von Lyfhtrasyr, folgerichtig geführt. Mit ihm spreche ich über Unsterblichkeit im philosophischen Hinsicht… und natürlich auch vom neuen Album „The engineered Flesh“. Viel Spass beim Lesen! (versione italiana)

Guten Abend Aggreash, ich versuche, dieses Interview auf Deutsch zu schreiben. Bist du mit dem neuen Album zufrieden? Ich finde es außergewöhnlich.
Hallo Renato, Dein Deutsch ist wirklich sehr gut, mein Kompliment! Mit dem neuen Album bin ich sehr zufrieden. Es entspricht sehr genau dem, was ich erreichen wollte: Das spannende, durchgängige Konzept „Transhumanismus“, auf das alle Songs und Texte sowie das Artwork ausgerichtet sind. Der Sound ist durch die intensive Vorproduktion und die Zusammenarbeit mit Fredrik Nordström (Studio Fredman) und Mika Jussila (Finnvox Studios) fantastisch geworden: Transparent, kalt, aggressiv, mächtig und brutal. Sehr stolz bin ich auch auf die Live DVD, die unser komplettes Konzert beim Global East Festival 2011 (Kiev, Ukraine) enthält und Teil der Special Edition des neuen Albums ist.

Deine Texte sind absolut faszinierend und deine ‚Doktrin’ der Unsterblichkeit ist verwunderlich. Denkst Du wirklich, dass wir unsterblich werden können? Ist das etwas wie ein ‚Vorschlag’?
Ich denke nicht, dass wir wirklich unsterblich werden können. Es sollte aber möglich sein, den Tod durch passenden Einsatz von Genetik und Nanotechnologie sehr lange oder sogar beliebig lange hinauszuzögern. In den Texten mache ich keine Vorschläge dafür, sondern diskutiere tatsächliche Ansätze wie beispielsweise Kryonik (englisch: cryonics), aber auch eher fiktive Ansätze wie Seelentransfer oder künstliche Verbesserung des Charakters einer Person. Dabei möchte ich vor allem die potentiellen Nachteile oder Nebenwirkungen noch nicht ausgereifter Technologien thematisieren.

Viele Bemerkungen erinnern mich an der gleichzeitigen philosophischen Debatte über AI, Kybernetik und ‚Kern’ der Menschheit. Haben Deine Texte solche philosophische Ambitionen?
Absolut. Als ich die Konzepte der Songs erstellt habe, habe ich mich stark von den Arbeiten des Machine Intelligence Research Institutes (MIRI) mit Autoren wie Ray Kurzweil beeinflussen lassen. Genau solche Themen und Fragen werden in diesen Arbeiten diskutiert. Allerdings gebe ich diese Arbeiten nicht direkt wider, sondern habe versucht, meine eigene Interpretation daraus zu entwickeln.

Noch über deine Texte und ihre ‚philosophische’ Verwicklungen: Gott ist natürlich fremd Deiner Weltanschauung. Hat aber die Unsterblichkeit Sinn ohne ein Jenseits? Ich meine: nach der Astrophysik ist auch das ganze Universum ‚sterblich’ und zu einem ‚thermischen Tod’ bestimmt… wie kann ein physisches Leben seiner ‚Umwelt’ überleben?
Da kommt es vermutlich auf die Definition von „unsterblich“ an. Ich sehe jemanden schon als unsterblich an, der nicht auf natürliche Art und Weise – also durch Altersschwäche – sterben kann. Unfälle oder Krankheiten können daher dennoch zum Tode führen. Also würde auch das Ende des Universums zum Tode führen. Das Jenseits, an das ich allerdings nicht glaube, hätte dann durchaus seine Berechtigung.

Sprechen wir jetzt von der Musik. „The new Era of Immortality“ und „Evolution“ sind meine Lieblingslieder in der Platte. Können wir darüber sprechen?
Interessanterweise war „The new Era of Immortality“ der erste Song und „Evolution“ der letzte Song, den ich für das Album geschrieben habe. Den ersten Song zu schreiben, war recht schwierig, weil er musikalisch und thematisch die Einleitung für das Gesamtkonzept des Albums darstellen sollte. Daher fand ich die Frage „Brauchen wir noch einen Gott, wenn wir uns selbst unsterblich machen können?“, die sich hinter dem Song verbirgt, sehr passend als Einstieg. Bei dem Song „Evolution“ waren bereits alle mir wichtigen Themen in den anderen Songs behandelt, so dass ich bei diesem Song einfach nur noch experimentieren konnte, ohne zu sehr auf das Albumkonzept achten zu müssen. Gerade durch diese Freiheit ist der Song vermutlich so stark geworden, denn er gehört zusammen mit „Soul Transition Interface“ und „Wisdom In The Loop“ auch zu meinen Lieblingssongs auf dem Album.

Hast Du Muster für deinen Gesangstil? Deine Stimme ist unglaublich vielfältig!
Besten Dank. Ich wollte immer sowohl das aus dem Black Metal bekannte Kreischen als auch das Growlen des Death Metal können. Inzwischen gefällt mit das Growlen persönlich deutlich besser und liegt mit auch mehr. Trotz jahrelanger Übung habe ich aber natürlich auch den einen oder anderen Effekt eingesetzt – vor allem bei den Flüsterparts.

Was bedeutet für Dich, Black Metal in 2013 zu spielen? Ist es für Dich ein Lebensstil, eine Philosophie, eine ‚Religion’… oder nur Musik?
Für mich ist es nichts Anderes als Musik. Ich war nie tiefergehend an der Ideologie des Black Metal interessiert. Für mich ist es lediglich rasend schnelle, aggressive und kalte Musik mit misanthropischen und/oder nihilistischen Themen.

Du spielst Black Metal, der Bandname kommt aber von der skandinavischen Mythologie…
Durch den Bezug zur skandinavischen Mythologie soll der Bezug zum Ursprung der Musik von Lyfthrasyr hergestellt werden, der eindeutig im skandinavischen Black Metal liegt. Gleichzeitig soll aber auch der Aufbruch zu etwas Neuem symbolisiert werden, denn die Person „Lifthrasir“ war einer von nur zwei Überlebenden der Apokalypse „Ragnarök“ und damit dazu bestimmt, etwas Neues zu kreieren. Die beiden „Y“ dienen der Einzigartigkeit des Namens. Es soll direkt klar sein, dass mit Lyfthrasyr die Band gemeint ist und nicht die Person aus der skandinavischen Mythologie.

Ist es schwer, Deine Musik auf die Bühne zu bringen? Habt ihr schon außer Deutschland (und besonders in Italien) gespielt?
Sonderlich schwer ist es nicht. Die hohe Geschwindigkeit ist reine Übungssache und mit Nefastus haben wir einen fantastisch präzisen und technisch versierten Schlagzeuger an unserer Seite. Aber obwohl wir einen sehr guten Live-Keyboarder haben, sind manche der aufwendigen Synthesizer-Arrangements sind nicht einfach live umzusetzen. Deshalb arbeiten wir wie die meisten anderen Bands auch mit der einen oder anderen Spur vom Band.  Außerhalb Deutschlands haben wir schon oft gespielt, meist in Frankreich, Tschechien, der Schweiz oder Österreich. Nach Italien haben wir es leider erst einmal geschafft: 2007 haben wir mit Behemoth, Kataklysm und Aborted in Mailand gespielt.

Das Ende des Interviews gehört natürlich dir. Dankeschön für deine Zeit und viel Erfolg mit LYFTHRASYR!
Hört in die neuen Songs rein und besucht unsere Konzerte, wir wissen eure Unterstützung absolut zu schätzen und zu würdigen! Vielen Dank für das Interview und das Interesse!

(Renato de Filippis)

Rezension