fotoatlanteankodexMetalHead hat „The white Goddess“, die letzte Atlantean Kodex Platte, als eine der besten Veröffentlichungen dieses Jahres empfehlt… mit dem Gitarrist Manuel Trummer sprechen wir von alter Mythologie und von den Bandtexten. Viel Spaß beim Lesen! (versione italiana)

Hallo Manuel, Dankeschön für dieses Interview und Entschuldigung für mein Deutsch! Es ist wirklich eine Ehre, mit Dir zu sprechen. Die Entgegnungen zum „The white Goddess“ sind überall außergewöhnlich, oder?
Ja, in der Tat fallen die Reaktionen außergewöhnlich positiv aus. Wir haben scheinbar einen Nerv bei vielen Menschen getroffen.

Besonders wunderbar finde ich die Vinyl-Ausgabe (die ich sofort gekauft habe), mit einem Booklet, das genau wie ein Manuskript aussieht!
Danke, das freut uns. Besonders auf das Booklet, das der Kölner Künstler Ben Harff für uns gestaltet hat, sind wir auch sehr stolz.

Der Satz auf der Platte ist auch bemerkenswert… was bedeutet, dass ihr nicht sterben wollt? Physisch oder geistig?
Ich denke, für jeden Künstler, vielleicht sogar für jeden Menschen, bildet der Wunsch, den Tod zu überdauern und etwas bleibendes zu schaffen, einen Kern seines Daseins. Die Weiße Göttin hat uns zu diesem Album inspiriert. Durch sie werden auch wir nun über unsere Musik den Tod überdauern.

Eure Texte sind immer faszinierend aber auch kryptisch. Ich möchte besonders darüber sprechen! Können wir sagen: es gibt hinter euren alten und neuen Textkompositionen ein ‚concept’… oder vielleicht besser: eine‚ Poetik’?
Der Begriff „Poetik“ trifft es besser als Konzept. Es gibt zwar auch einen thematischen Rahmen für die Texte von AK, aber das entscheidende Merkmal ist die Art, wie wir durch die Vermengung von Mythos und Realität einen poetischen Raum für den Hörer schaffen, in den er sich begeben kann, während er die Musik hört. Wir bemühen uns deshalb, die Texte möglichst offen und zeitlos zu halten, so dass sie für eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebenswelten anpassungsfähig bleiben.

Woher kommt eure Interesse für die alte vorchristliche und – um so zu sagen – ‚vorvernünftige’ Europa und Ihre Mythologie und ‚Cosmos’? Gibt es eine religiöse oder politische Ankündigung für solche ‚Liebe’?
Nein, wir sind definitiv keine „Neuheiden“. „Paganismus“ ist ein modernes Konstrukt, das für uns als Band keinerlei Relevanz besitzt. Das wunderbare an Mythologie ist ihre Zeitlosigkeit. Sie ist durch ihre poetische Sprache bedeutungsoffen und lässt sich auf unterschiedlichste Arten lesen, auch politisch, auch auf die gegenwärtige Kultur bezogen. Zugleich ist unser Spiel mit der europäischen Vorgeschichte auch eine gute Möglichkeit, um der Musik zu einer atmosphärisch dichten Aura des „Uralten“ zu verhelfen, die für die Bilder in den Köpfen der Hörer sorgt.

Ihr schreibt zum Beispiel, dass „The white Goddess“ eine Platte über den Tod ist; „Sol Invictus“ ist aber ein Lied über die Wiedergeburt der Welt und des Menschen… ist das einen nur scheinbaren Widerspruch?
Die Weiße Göttin steht für Tod, aber auch Lebenskraft und Wiedergeburt. Diese drei Aspekte  bilden den Mittelpunkt der Platte. Eine Wiedergeburt ist nur aus dem natürlichen Zustand des Menschen – dem Nicht-Sein, dem Tod – möglich.

In einem einzelnen Vers zitiert ihr das ‚Sol’, den heidnischen Gott Mithras und Jesus Christus. Ich habe antike Mythologie studiert und ich kann vielleicht die Verbindung vermuten, andere Personen können sie aber ganz missverstehen …
Ja, sicher ist das alles offen für unterschiedliche Interpretationen. Aber es geht uns nicht um Wissenschaftlichkeit, sondern um Ideen, Bilder und Geschichten. Der Hörer entscheidet, was für ihn „richtig“ ist.

Der Untertitel von „Trumpets of Doggerland“ ist ein Vers des Bibel… Genesis 6, 4, eine der mysteriöseren Stellen der ganzen alten Testaments. Warum habt ihr ihn zitiert?
Wie Du sagst, Gen 6, 4 ist eine der mysteriösesten Passagen in der ganzen Bibel. Sie erlaubt eine ganze Reihe verschiedener Deutungen. Wer waren die „Riesen“ und „Gottessöhne“? Ist es die narrative Erinnerung an ein reales Volk von Herrschern, Priestern und Königen? Stehen Sie womöglich in Verbindung zu Orten wie den Tempeln von Göbekli Tepe? Oder ein anderes versunkenes Reich, etwa die Landflächen, die am Ende der letzten Eiszeit im Meer verschwunden sind. Als die Gottessöhne verschwinden beginnt die biblische Menschheitsgeschichte. Darum steht das Lied am Anfang.

Wer ist „The Heresiarch“? Spricht ihr hier über Ketzer, oder es gibt eine tiefere Metapher?
Auch hier gibt es unterschiedliche Bedeutungen. Ein „Heresiarch“ ist auch der Anführer eines Kultes. Ich hatte einen bestimmten im Sinn, aber welcher damit gemeint ist, entscheidet der Hörer.

Die letzte drei Lieder sind – wenn ich richtig verstehe – der Göttin Europa gewidmet und sie stellen vielleicht drei Phasen ihren ‚Lebens’…
Eine schöne Interpretation, aber die drei Songs sind eigentlich getrennt voneinander zu lesen. Aber Du hast recht, die beiden letzten Songs bilden tatsächlich inhaltlich eine gewisse Einheit. Zuerst die große Apokalypse in „Enthroned in Clouds and Fire“ und danach die Weiße Göttin, die sich dem Menschen als Pilger in der Welt zeigt und ihn heimführt, ins erlösende Nichtsein, aus dem er kam.

Noch eine Frage, bitte! Ich habe immer mich danach gefragt, was die drei Siegel in „Temple of Katholic Magick“ sind!
Das darf ich Dir nicht verraten, sonst müsste ich Dich töten.

Ich habe denn zu viel gesprochen! Das Ende des Interviews gehört natürlich Dir. Dankeschön für deine Zeit und… hoffentlich bis bald mit einem Show in Italien!
Danke für das Interview! Ja, eine Show in Italien wäre großartig. Wenn Ihr uns ruft, werden wir kommen.

 

(Renato de Filippis)

Rezension