Anlässlich der Veröffentlichung des neuen LUCID DREAMING-Album, haben wir von MetalHead mit Till Oberboßel über seinen Solo-Projekt nochmal gesprochen. Er war wie gewöhnlich eine sehr Interessante Rede… viel Spaß beim Lesen! (In Italiano QUI)

MH: Hallo Till, schön, wieder von Dir zu hören! Das letzte Mal haben wir in Juni 2020 gesprochen… wie ist die zweite Hälfte des Jahres gelaufen?
TO: Ciao Renato, es freut mich sehr, wieder hier zu sein! Unser letztes Interview ist ja tatsächlich noch nicht lange her, aber jetzt gibt es ja schon wieder eine neue Veröffentlichung, haha. Die zweite Hälfte des Jahres war soweit recht gut. Natürlich sind wir alle genervt von der Corona-Pandemie und hoffen, daß sie in diesem Jahr endlich irgendwann vorbei ist, aber wir müssen mit den Tatsachen leben. Konzerte, Reisen etc. müssen daher natürlich wegfallen, aber so konnte ich die zweite Jahreshälfte für andere Dinge nutzen. Das neue Lucid Dreaming-Album wurde im November endlich veröffentlicht, ich arbeite schon an neuem Material und auch mit Elvenpath bereiten wir das nächste Album vor. Langweilig wird es also keineswegs.

MH: Von wenigen Wochen, wie gesagt, hast Du die letzte Lucid Dreaming CD veröffentlicht… Die Trilogie ist vollendet! Willst Du das Album vorstellen?
TO: Die meisten Leute sehen diese drei Alben als Trilogie, aber das war nicht so geplant. Das erste Album entstand, weil ich gerne mal ein Konzeptalbum mit verschiedenen Sängern machen wollte. Das hat mir dann solchen Spaß gemacht, daß ich noch vor der Fertigstellung des Albums beschlossen habe, das Projekt fortzuführen. Ich denke aber immer nur von Album zu Album, es war also keine „Trilogie“ geplant. Das neue Album „The Chronicles Pt.III” ist nun im November herausgekommen. Wer Power Metal mit leichten Folkeinflüssen mag, wird es sicherlich mögen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Alben haben auch die Progressive Metal-Einflüsse ein wenig zugenommen. Insgesamt sind neun Sänger und Sängerinnen auf dem Album zu hören. Produziert wurde es von Uwe Lulis (Accept). Textlich geht es erneut um die Fantasygeschichte „Die Chroniken von Prydain“ von Lloyd Alexander. Diese Geschichte umfaßt insgesamt fünf Bände. Das zweite Album handelte vom vierten Band „Taran Wanderer“, jedoch hat der Platz nur für das halbe Buch ausgereicht. Daher wird das Buch mit dem neuen Album abgeschlossen.

MH: Du hast die Alben auf den Büchern von Lloyd Alexander basiert… er ist ein Schriftsteller fast unbekannt in Italien! Ist er in Deutschland berühmt? Warum magst Du seine Werke?
TO: In Deutschland ist Lloyd Alexander ebenfalls ziemlich unbekannt; im englischen Sprachraum sieht das aber erfreulicherweise anders aus. Er hat auch noch andere Bücher veröffentlicht, aber die Chroniken von Prydain sind auf jeden Fall sein Hauptwerk. Ich habe die fünf Bände vor vielen Jahren geschenkt bekommen und über die Jahre mehrfach gelesen, weil sie mir viel bedeuten. Lloyd Alexander pflegt – ähnlich wie Tolkien – eine altertümlich anmutende, epische Sprache, die mich immer wieder in ihren Bann zieht. Und er hatte ein Talent dafür, wunderbare Charaktere zu erschaffen, die alle ihre Eigenheiten haben und interessant sind. Außerdem ist bei den Charakteren immer eine Vielschichtigkeit zu erkennen – es wird nicht schwarzweiß gemalt, es wird nicht simpel in Gut und Böse getrennt. So bleiben Alexanders Charaktere immer sehr interessant.

MH: Sprechen wir jetzt über die zwei Lieder, die ich am besten mag: „Open wide the Gate“ und natürlich „The Mirror“! Mit diesem letzten Lied von 15’42’’ sind wir Deinem Rekord (mit „Cathedral of the Earth“, die 17’16’’ lang ist) nah…
TO: Endlich mal wieder lange Songs, das gab es bei mir ja lange nicht mehr, haha. Es hat sich so ergeben, daß der erste und der letzte Song des Albums (wenn man das Intro nicht berücksichtigt), ziemlich lang geworden sind, das war aber nicht beabsichtigt. Aber wenn es viel zu erzählen gibt, dann braucht man dafür auch Zeit. „Open Wide the Gate“ bietet zehn Minuten lang viele verschiedene Stimmungen, von balladesk bis aggressiv. Für einen Album-Opener ist das nicht der einfachste Anfang, haha. Aber bei Lucid Dreaming wird der Hörer häufig ein wenig herausgefordert, glaube ich. Man muß sich wirklich auf die Musik einlassen. Und „The Mirror“ ist der große, imposante Abschluß. Tarans lange Suche findet hier ihr (vorläufiges) Ende – er erkennt sich selbst und weiß, wie er seinen Platz im Leben finden kann. Auch hier gibt es einen großen Stimmungsbogen vom ruhigen Akustikpart bis zum Blastbeat. Es ist ein sehr starkes Ende des Albums und ein epischer Abschied von den Figuren der Geschichte. Aber zum Glück kann man die Alben ja immer wieder hören.

MH: In „Dreams come alive“ singt ein sehr guter italienischer Singer, Tiziano Sbaragli… wie hast Du ihn gekannt?
TO: Vor einigen Jahren hat Tiziano mit Etrusgrave einige Konzerte in Deutschland gespielt, und bei einem Konzert waren Elvenpath auch dabei. So haben wir uns kennengelernt. Er ist ein fantastischer Sänger und wir sind gute Freunde geworden, daher war für mich klar, daß ich ihn auch bei Lucid Dreaming dabeihaben wollte. Hört euch seine Bands Etrusgrave und Angel Martyr an!

MH: Noch andere bekannte Underground-Sänger sind an Bord… gibt es Anekdoten, denkwürdige Aspekten usw. über diesen Kooperationen zu erzählen?
TO: Insgesamt haben neun Sänger und Sängerinnen zu dem Album beigetragen. Die meisten haben ihre Parts in ihren eigenen Studios aufgenommen und mir dann die Daten geschickt. Ich war selbst nur bei zwei Personen bei den Aufnahmen dabei: Ruth hat ihre Parts bei Uwe Lulis im Studio eingesungen, und für BigBoss bin ich erneut nach Tschechien gefahren, um mit ihm gemeinsam aufzunehmen. Er ist eine echte Legende der osteuropäischen Metalszene, das war auf jeden Fall ein tolles Erlebnis! Bei den anderen Aufnahmen war ich selbst nicht anwesend, aber das war auch nicht notwendig. Mit Fox-Lin Torres und Elisa C. Martin sogar zwei Leute dabei, denen ich bis heute nicht persönlich begegnet bin – das lief alles über das Internet. Umso toller ist es, daß durch die heutige Technologie solche Kooperationen problemlos möglich sind.

MH: Ich habe in Internet gelesen, dass du schon an dem vierten Album arbeitest, und dass neuen Sänger schon kontaktiert hast… kannst Du etwas über Thema und Gäste verraten?
TO: Das ist nur die halbe Wahrheit – Tatsache ist, daß ich gleich an zwei neuen Lucid Dreaming-Alben parallel arbeite. Ich habe das Konzept lange vorbereitet, und als dann im Frühling 2020 der erste Lockdown kam, hatte ich plötzlich viel Freizeit, da ich länger von meiner täglichen Arbeit freigestellt wurde. Ich saß also sechs Wochen lang fast nur zu Hause und konnte viel an neuen Songs arbeiten. Zum einen konnte ich noch auf viele Ideen zurückgreifen, die sich angesammelt hatten, zum anderen hat die Situation auch viel kreative Energie freigesetzt. Jedenfalls bin ich mit dem Songwriting im Sommer fertiggeworden, und so ging es im Oktober schon wieder ins Studio. Nach drei Alben über die Chroniken von Prydain wollte ich etwas anderes machen. Daher geht es auf diesen beiden Alben um die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts. Das war eine sehr interessante Phase unserer Geschichte, die aber noch von keiner Metalband behandelt wurde, soweit ich weiß. Weil es also ein ganz anderes Konzept ist als auf den ersten drei Alben, werde ich auch eine komplett neue Sängermannschaft zusammenstellen. Es wird also niemand dabeisein, der auf den bisherigen Alben war. Ich bin schon mit verschiedenen Sängern in Kontakt und habe sogar schon die ersten Gesangsparts erhalten – aber Namen möchte ich noch nicht nennen. Ich werde sie aber nach und nach bekanntgeben. Schaut regelmäßig bei www.facebook.com/luciddreamingmetalvorbei!

MH: Lucid Dreaming ist im Wesentlichen ein Studio-Projekt und die Pandemie noch lauft, aber… Hast Du Konzerte (auch mit Deinem Main-Band Elvenpath) für 2021 programmiert?
TO: Lucid Dreaming ist weiterhin ein Studioprojekt. Vielleicht wird es irgendwann mal Liveshows geben, aber momentan denke ich nicht daran. Ich konzentriere mich erstmal auf die beiden neuen Alben, dann werden wir weitersehen. Für Elvenpath gibt es einige bestätigte Konzerte in diesem Jahr, aber natürlich weiß noch niemand, ob sie stattfinden können. Da müssen wir einfach abwarten, wie sich die Pandemie entwickelt. Deswegen planen wir diesbezüglich auch noch nicht weiter sondern werden wohl erst das nächste Album aufnehmen, bevor wir wieder mehr live spielen. Wie ich ja schon gesagt habe, bereiten wir momentan die Songs vor. Ich gehe davon aus, daß wir im Herbst 2021 ins Studio gehen können.

MH: Noch eine Frage über Elvenpath: ich habe gelesen, dass ihr einen neuen Gitarristen endlich gefunden habt…
TO: Ja, wir sind endlich wieder komplett. Unser neuer Gitarrist heißt Dimis und ist im letzten Sommer zu uns gestoßen. Leider können wir aufgrund der Pandemie-Restriktionen zur Zeit nicht proben, aber es ist ein gutes Gefühl, daß die Truppe wieder vollständig ist. Ich freue mich sehr darauf, mit der neuen Besetzung das nächste Album aufzunehmen und dann endlich auch wieder eine Menge Konzerte zu spielen – und hoffentlich können wir auch wieder nach Italien kommen!

MH: Das Ende des Interviews gehört Dir, wie gewöhnlich… Dankeschön für Deine Zeit und bis bald!
TO: Vielen Dank für das Interesse an Lucid Dreaming und Elvenpath. Alle, die das gelesen haben, sind herzlich eingeladen, sich das neue Album anzuhören. Seid Old School und kauft es euch, wenn es euch gefällt. Streaming ist kein Metal!

(Renato de Filippis)